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Martin Schulte
erhält den Schleswig-Holsteinischen Journalistenpreis 2023 für den Beitrag „Ein Querdenker, der keiner ist“
veröffentlicht in den Zeitungen des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages am 16. Oktober 2023.
Das
Portrait des Gastronomen, der nicht lockerlässt, von Politikern Antworten auf seine Fragen zu den Lockdown-Maßnahmen zu
fordern, beeindruckt durch Distanz zum empörenden Umgang mit dem Betroffenen, der Einordnung in die Stimmung während der
Pandemie und die Fakten jener Zeit.
> Zur Laudatio
Thomas Schäfer versteht die Welt nicht mehr. Der Gastronom aus dem Örtchen Lehmsiek bei Eckernförde sucht in der Corona-Pandemie den Kontakt zu Politikern, um mit ihnen über Schutzmaßnahmen zu diskutieren, die ihn an den Rand der Existenz gebracht haben. Er spricht mit Ministerpräsident Günther und schreibt an den Bundespräsidenten – ein umfangreicher Briefwechsel über anderthalb Jahre - und steht am Ende als Corona-Leugner und Querdenker da, dem von Bundespräsidialamt ein Arztbesuch empfohlen wird.
Als Leser schluckt man, nicht erst an dieser Stelle der Reportage von Martin Schulte. Denn Thomas Schäfer, der von sich selber sagt, dass er kein einfacher Mensch sei, ist hartnäckig und fordert Antworten auf seine Fragen. Er ist Gastwirt, aber der Stammtisch ist nicht sein Handlungsfeld. Martin Schultes Reportage besticht durch sorgfältige Fakten, eine exzellente Einordnung in die aktuellen Ereignisse, hält Distanz zum Betroffenen und erzählt einfach die Geschichte von Thomas Schäfer, der sich nicht dem Druck von staatlichen Verhaltensvorgaben ungefragt beugen will. Für diese beeindruckende und nachdenkliche Darstellung, die passgenau das Thema der Ausschreibung trifft, vergibt die Jury den Schleswig-Holsteinischen Journalistenpreis 2023 in der 1. Stufe.
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Hannes Lintschnig
erhält den Schleswig-Holsteinischen Journalistenpreis 2023 für den Beitrag „Warum müssen Sie Lübecker Autofahrer so nerven?“ veröffentlicht
in den „Lübecker Nachrichten“ am 18. Juni 2023.
Erneut haben sich Aktivisten der „Letzten Generation“ in Lübeck auf eine Straße geklebt. Im Interview erzählen
sie, was sie erreichen wollen, obwohl sie zweifeln, was ihr Protest bringt. Zwei untypische Protestler, die Hannes
Lintschnig befragt und deren Argumente er hinterfragt.
> Zur Laudatio
Zum zweiten Mal haben sich Aktivisten der „Letzten Generation“ in Lübeck auf eine Straße vor dem Holstentor geklebt. Zwei Mitglieder erzählen im Interview, was sie mit ihren Protesten erreichen wollen, wovor sie Angst haben und warum sie genervte Autofahrer verstehen können. Es sind eher untypische Klima-Protestler, die Hannes Lintschnig in seinem Interview zu Wort kommen lässt - die fünfzigjährige Erzieherin aus Lübeck, verheiratet und Mutter von zwei Kindern, und ein vierundfünfzigjähriger Elektroingenieur aus Stockelsdorf, Ehemann und Vater. Sie werden mit den Fragen konfrontiert, die ihnen jeder Verkehrsteilnehmer, die im Stau stehen müssen, stellen würde. Lintschnig lässt sie ausreden, versäumt aber nicht, nachzufragen und kommt immer wieder auf den Punkt, der am Ende dieses Interview heraushebt: Die Widersprüchlichkeit der Protestmaßnahmen der „Letzten Generation“, aber auch die Zweifel der handelnden Personen, ob sie auf diese Weise überhaupt etwas bewegen können.
Die unverbrämte Darstellung der Ansichten und der Unsicherheit der Protestler gibt dem Interview eine besondere Authentizität. Leserinnen und Leser können die Motive für die Haltung der Protestierenden nachvollziehen, spüren aber zugleich ihre Hilflosigkeit, ob ihre Maßnahmen überhaupt etwas bewirken. Die Jury wertet dieses präzise Hinterfragen in der Darstellungsform des Interviews als vorbildlich und verleiht dafür den Schleswig-Holsteinischen Journalistenpreis 2023 in der 2. Stufe.
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Ulrich Metschies
erhält den Schleswig-Holsteinischen Journalistenpreis 2023 für den Beitrag „Corona hat mich gekillt“
veröffentlicht in den „Kieler Nachrichten“ am 1. März 2023.
„Kindergarten zu, Schule zu, ein fordernder Job - nichts ging mehr im Lockdown. Damit alles läuft, sorgt das
Glas Wein stets für Entspannung. Als nichts mehr ohne geht, bricht ‚Eva‘ zusammen. Abstieg, Abhängigkeit, Ausweglosigkeit
– Ulrich Metschies zeichnet den Weg nach und zeigt Hilfen auf.
> Zur Laudatio
„Kindergarten zu, Schule zu, ein fordernder Job – es war einfach unfassbar viel zu tun.“ Kein Gedanke an Wegfahren, Kinobesuch oder Spielgruppen für die Kinder - nichts ging mehr im Lockdown. Und neben allem Blitzableiter für schlechte Laune und trotzdem Haushalt und eigenen Job auf die Reihe bekommen. Entspannung verspricht da nur das Gläschen Wein oder auch zwei, oder auch mehr. Und dann geht nichts mehr ohne. Die Familie darf nichts merken, der Arbeitgeber ebensowenig – monatelang merkte tatsächlich niemand, dass mit Eva etwas nicht stimmte, bis zu ihrem Zusammenbruch.
Klar strukturiert zeichnet Ulrich Metschies im Gespräch mit der Betroffenen alle Stationen ihres Abstiegs in die Sucht und die Ausweglosigkeit aus der Abhängigkeit nach. Jeder ist froh, dass Eva ihren Job gut macht – als Ehefrau, Mutter, Mitarbeiterin und Kollegin. Viel Zuwendung scheint sie nicht zu brauchen, sie hat ja einen anderen Tröster. Die Reportage „Corona hat mich gekillt“ beindruckt durch die fast schon an Gefühllosigkeit grenzende Abhandlung des Erlebens von Eva in einem gänzlich selbstfixierten Umfeld. Die Reportage und die gesonderte Aufbereitung der Hilfen für Süchtige wird von der Jury als ausgezeichnet bewertet und mit dem Schleswig-Holsteinischen Journalistenpreis 2023 in der 3. Stufe gewürdigt.
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Rabea Osol
erhält den Schleswig-Holsteinischen Journalistenpreis 2023 für den Beitrag „Long Covid – 16-jährige kämpft seit zwei Jahren um ihre Gesundheit“
veröffentlicht in den „Lübecker Nachrichten“ am 28. Juni 2023.
„Long Covid“ ist eine Reportage, die einen nicht mehr loslässt. Eindringlich und mitfühlend wird das Unglück
einer jungen Frau und das Ausgeliefertsein der Familie beschrieben, die alles unternimmt, aber nicht helfen kann.
> Zur Laudatio
Erst sah es nach einer Corona-Erkrankung wie bei den meisten Menschen aus. Doch nach der vermeintlichen Genesung, der Rückschlag und die Diagnose: Long Covid. Die Mutter der Betroffenen schildert das Auf und Ab seither, seit Monaten ist ihre sechzehnjährige Tochter ans Bett und den Rollstuhl gefesselt, überwiegend im angedunkelten Zimmer – und über allem die Ohnmacht der Familie, nichts tun zu können, außer auf Genesung und Besserung der unerträglichen Lebensumstände zu warten.
Rabea Osol gelingt eine Reportage, die einen nicht mehr loslässt. Eindringlich, mitfühlend und nachdenklich beschreibt sie das Unglück der erkrankten jungen Frau und das Ausgeliefertsein der Familie, die nicht weiß, was sie tun kann, um die eigene Hilflosigkeit zu überwinden. Am Ende bleiben Fragen, nicht nur, warum die Medizin nicht helfen kann, sondern auch was aus der Familie wird und wie sie in ein normales Leben zurückfinden kann. Die Jury verleiht für diese eindrucksvolle und berührende Reportage den Nachwuchspreis des Schleswig-Holsteinischen Journalistenpreises 2023 – gestiftet von Prof. Dr. Jürgen Miethke.
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Festveranstaltung mit Preisträgern und Ehrengästen
Zur Verleihung der Journalistenpreise im Haus des Sparkassen- und Giroverbandes Schleswig-Holstein konnten wir
als Ehrengäste Verbandspräsident Oliver Stolz und den Chef der Staatskanzlei und Minister für Digitales und
Medien, Dirk Schrödter, begrüßen. Die Sicherung der regionalen Medienvielfalt ist in Zeiten, in denen
Informationen schneller als ein Lichtblitz um die Welt jagen, eine herausragend wichtige gesellschaftliche
Aufgabe. Die schleswig-holsteinischen Journalistenpreise sind für die Erfüllung dieser Aufgabe ein wichtiges
Ausrufezeichen. Sie lenken die Aufmerksamkeit auf guten Journalismus mit Relevanz für die Bürgerinnen und
Bürger, weil die behandelten Themen vor unserer Haustür, erklärte Schrödter. Dennoch müsse die
gesellschaftliche Wertschätzung geprüfter und überprüfter Nachrichten und Informationen wieder mehr ins
Bewusstsein rücken. Dauerhaft gelinge das nur durch eine andere Art und Form der Produktisierung - und zwar
durch Nutzung aller Instrumente des transmedia Storytellings. Digitalisierung im Medienbereich seien mehr als
nur E-Paper und lineares Radio. Zugleich dürfen lokale und regionale Inhalte nicht nur Anhängsel regional
erscheinender Zeitungen sein, die im Übrigen ihre Seiten mit Inhalten füllen, die auch an anderer Stelle,
vielleicht sogar noch mit mehr inhaltlicher Tiefe, erhältlich sind. Medienmachern müsse bewusst sein, dass
gerade Regionalität genau der Markenkern ist, ohne dessen Erkennbarkeit und Wahrnehmbarkeit im eigenen
Produkt, der Konsument und damit der Markt Stück für Stück verloren geht. Wer also Lokalredaktionen ausdünnt
oder sogar schließt, hat perspektivisch seinen Markt längst verlassen. Der Markenkern muss gestärkt und darf
keinesfalls geschwächt werden, so der Minister.
Zum Ausschreibungsthema „Zwischen Bewältigung und
Überforderung: Krisen ohne Ende – was macht das mit uns?“ hatte Martin Schulte einen Gastronomen aus
Eckernförde portraitiert, der als Querdenker abgestempelt und dem vom Bundespräsidialamt ein Arztbesuch
empfohlen wird. Ulrich Metschies zeichnete den Weg einer Frau nach, die als Arbeitnehmerin, Hausfrau und
Mutter in der Corona-Pandemie nur noch Halt im Alkohol findet und Rabea Osol beschrieb eine 16-Jährige, die
als Long-Covid Patientin schwer gezeichnet immer noch gegen die Krankheit kämpft. Hannes Lintschnig’s
Interview mit zwei Aktivisten der letzten Generation arbeitet deren Unsicherheiten und Selbstzweifel am
eigenen Tun heraus.
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